Winternotprogramm Hamburg | FINK.HAMBURG

2022-12-08 11:34:46 By : Mr. Shahin Abdu

Welche Anlaufstellen gibt es für obdachlose Menschen in Hamburg?

Die kalte Jahreszeit rückt immer näher. Obdachlose Menschen in Hamburg können nachts das Winternotprogramm nutzen, um sich vor dem Erfrieren zu schützen. Welche Angebote es gibt und was daran zu kritisieren ist, lest ihr hier.

Während die meisten Hamburger*innen die Möglichkeit haben, es sich warm und gemütlich zu machen, ist der Winter für die knapp 2000 obdachlose Menschen in der Stadt besonders gefährlich. Die Zahl stammt aus einer Studie aus dem Jahre 2018, die im Auftrag der Stadt Hamburg durchgeführt wurde. Erfasst wurden Menschen, die als Obdachlose auf der Straße erkennbar waren und wohnungslose Menschen, die öffentlich-rechtlich untergebracht waren. Bei einer vergleichbaren Untersuchung aus dem Jahre 2009 waren es noch etwa die Hälfte an Menschen. Auf Nachfrage von FINK.HAMBURG legte die Sozialbehörde keine aktuelleren Zahlen vor.

Sehr aktuell hingegen, aus dem Jahre 2022, stammt eine Studie des Statistischen Bundesamtes, in der es um wohnungslose Menschen in ganz Deutschland geht, die in Einrichtungen untergebracht sind – “beispielsweise in vorübergehenden Übernachtungsmöglichkeiten oder in Not- und Gemeinschaftsunterkünften”, heißt es dort. Nicht mit einbezogen seien Personen, die (verdeckt) bei Freunden, Familie oder Bekannten unterkommen oder Menschen, die ohne Unterkunft auf der Straße leben. Die aufgeführte Zahl ist also nicht vollständig.

Die Diakonie Hamburg hat dennoch diese Studie auf einzelne Städte heruntergebrochen. Demnach liegt die Anzahl der untergebrachten Wohnungslosen in Hamburg Ende Januar 2022 bei knapp 19.000 Menschen. Damit steht Hamburg im Städteränking auf Platz 1 – vor Stuttgart (848), Frankfurt (747) Berlin (709) und Köln (676), wie der NDR berichtet. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 213. Dies zeigt zumindest, wie hoch der Bedarf an Betreuung in Hamburg ist.

Vom 1. November 2022 bis Ende März 2023 stehen in Hamburg zusätzliche Notunterkünfte für Menschen zur Verfügung, die keine anderen Unterkunftsmöglichkeiten haben. Auf Wunsch kann das Programm anonym genutzt werden. So werden die ganzjährig verfügbaren Notübernachtungsstellen um circa 800 Plätze erweitert. Eine medizinische Grundversorgung erfolgt durch Ärzt*innen, einen Pflegedienst und mobile Angebote. Tagsüber ist es nicht erlaubt, sich in den Unterkünften aufzuhalten. Dafür gibt es Tagesaufenthaltsstätten, die von 9:30 bis 16:30 Uhr geöffnet sind. Hier finden auch Beratungen statt.

Das Winternotprogramm kann von allen aufgesucht werden, die sich nicht selbst helfen können. Für Frauen sind separate Bereiche eingerichtet. Für z.B. psychisch beeinträchtigte Menschen besteht in Einzelfällen die Möglichkeit einer Einzelunterbringung. ℹ️ https://t.co/97J0GObnds pic.twitter.com/nSw97GAY59

800 zusätzliche Betten für Obdachlose – reichen die Plätze, damit niemand im Winter auf der Straße erfriert? Auf Nachfrage von FINK.HAMBURG sagt Susanne Schwendtke, eine Sprecherin des städtischen Unternehmens Fördern und Wohnen, das für die Unterbringung verantwortlich ist, dass die Betten im Winternotprogramm ausreichen würden. „Wir haben in den letzten Wintern immer genügend Platz für alle Menschen gehabt, die in Hamburg obdachlos sind,” so Schwendtke.

Die Linksfraktion kritisiert die Art der Unterbringung: „Es reicht eben nicht, den Menschen ein Angebot in Massenunterkünften zu machen, das sie nicht annehmen wollen”, sagt die sozialpolitische Sprecherin Stephanie Rose. „Stattdessen braucht es kleinere Unterkünfte mit Einzelzimmern – nur so ist der Schutz vor Corona gewährleistet und die Menschen haben die Chance auch zur Ruhe zu kommen.”

Fördern und Wohnen entgegnet auf die Kritik, dass viele Menschen ohnehin in Gruppen zu den Notunterkünften kämen und speziell Gruppenzimmer anfragen. Wer sich dann nicht benehme, etwa randaliere, werde in die Wärmestube geschickt, um die Nachtruhe der anderen nicht zu stören.

Jörn Sturm, Geschäftsführer des Hamburger Straßenmagazins Hinz und Kunzt, fordert eine ganztägige Öffnung des Programms: „Das Elend auf Hamburgs Straßen nimmt zu, und ein in Teilen gut aufgestelltes Winternotprogramm darf nicht den Blick darauf verstellen, allen ein menschenwürdiges Leben in Wohnungen zu gewähren. Vor allem muss es auch tagsüber für die Obdachlosen geöffnet sein – und zwar für alle Obdachlosen.“

Die Sozialbehörde begründet die Schließung tagsüber damit, dass die Räume nicht eine dauerhafte Unterbringung sein sollen und die Obdachlosen die Tagesstätten aufsuchen können.

Ein weiteres Problem: Kaum ein Angebot sieht die Mitnahme und Unterbringung eines Hundes vor. Die wenigen Plätze sind begehrt. Im Pik As, einer Übernachtungsstätte für obdachlose Männer, sind Hunde unter Umständen erlaubt. Im Harburg-Huus vom Deutschen Roten Kreuz, sogar erwünscht. Der Hamburger Tierschutzverein bietet deshalb die Möglichkeit an, Hunde im Tierheim Süderstraße kostenfrei zu versorgen und übernachten zu lassen. Hundehalter*innen können ihre Tiere hier über Nacht abgeben und morgens ab 9 Uhr wieder abholen.

So reagiert die Tierheimleitung auf den Notstand: „Viele Halterinnen und Halter entscheiden sich ansonsten ihren Hunden zuliebe gegen die warmen und vielleicht sogar lebensrettenden Unterkünfte”, sagt Dr. Gabriele Waniorek-Goerke aus dem Vorstand des Tierschutzvereins. “Das heißt im schlimmsten Falle: klirrende Kälte für Mensch und Tier, bis hin zum Tod.“

Trotz des Winternotprogramms sterben auch in Hamburg immer wieder Menschen auf der Straße. Allein letzten Winter starben nach Berichten in den Medien mindestens 43 Obdachlose. In der Corona-Krise zeigte sich, wie unflexibel das System ist:

Ende 2020 beantragte die Linksfraktion eine Anmietung von 300 Hotelzimmern, um Menschen vor der Kälte und vor Ansteckung mit dem Corona-Virus zu schützen. Der Antrag wurde in der Bürgerschaft Mitte Dezember 2020 abgelehnt. Die Stadt verwies auf ihr Winternotprogramm. Daraufhin ermöglichten private Initiativen und Spenden die Unterbringung in Hotels oder privaten Wohncontainern.

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In der Halskestraße und der Friesenstraße stellt das städtische Unternehmen Fördern und Wohnen jeweils 300 und 400 Schlafplätze zur Verfügung. Ein Busshuttle verbindet die Innenstadt mit den Standorten Friesenstraße und Halskestraße.

Obdachlose Menschen erhalten neben einem Bett auch Handtücher und Hygieneartikel. Sie können jeden Abend zum selben Schlafplatz zurückkehren. Außerdem stehen Waschmaschinen und abschließbare Schränke zur Verfügung. Abends bieten Freiwillige des Fördervereins Winternotprogramm e.V. eine kostenlose warme Mahlzeit an.

In der Regel kommen die obdachlosen Menschen in Zwei- und Dreibettzimmern unter. Für Frauen sind zudem separate Bereiche eingerichtet, die von weiblichem Personal bewacht werden.

Auch für besonders gefährdete, gesundheitlich eingeschränkte oder psychisch beeinträchtigte Menschen ist ein Kontingent an Einzelzimmern vorhanden. Dort besteht die Möglichkeit, durchgängig auf dem Zimmer zu bleiben, um sich etwa von einer Erkrankung zu erholen.

Die Unterkünfte sind täglich von 17 bis 9:30 Uhr geöffnet.

Knapp 100 Schlafplätze sind von 17 Uhr abends bis 9:30 Uhr morgens in den Wohncontainern der Kirchengemeinden, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Evangelischen Hochschule für Sozialpädagogik beim Rauhen Haus verfügbar. Wenn obdachlose Menschen dort nächtigen wollen, können sie sich hier melden:

Die Wärmestube in der Hinrichsenstraße 4 bietet nächtlichen Erfrierschutz für alle Obdachlosen, die keinen Anspruch auf einen Schlafplatz in den Unterkünften von Fördern und Wohnen haben. Dazu gehören nach Aussage von Fördern und Wohnen Menschen für deren Schutz das städtische Winternotprogramm nicht zuständig ist. Wer beispielsweise eine Wohnung an einem anderen Ort oder genug Geld für ein Hostel hat, könne seine Obdachlosigkeit aus eigener Kraft beenden. Die Nutzung der Wärmestube ist kostenlos, dient aber lediglich dem Erfierschutz. Das heißt es gibt keine Betten, sondern Tische, Stühle und Warmgetränke. Die Öffnungszeiten sind von 17 bis 9:30 Uhr.

Zwischen 09:30 bis 16:30 Uhr können sich obdachlose Menschen in einer dieser Tagesstätten wärmen. Eine Übersicht aller Tagesstätten gibt es hier:

Es wird eine kostenfreie Beratung und Hilfe zur Überwindung der Obdachlosigkeit angeboten, teilweise auch in Kooperation mit dem Jobcenter und mit Einrichtungen der Drogen- und Suchtberatung. Dadurch sollen Menschen bei der Realisierung von Leistungsansprüchen, Suche nach Unterbringung oder eigenem Wohnraum und bei Überwindung persönlicher Schwierigkeiten unterstützt werden. Bei Interesse können Obdachlose auf das Personal von Fördern und Wohnen zugehen. Die Sozialberatung findet sowohl in den Tagesstätten als auch in den Übernachtungsstätten des Winternotprogramms statt.

Im Projekt „Plata” werden insbesondere obdachlose Menschen aus Osteuropa beraten. Die Mitarbeitenden sprechen Deutsch, Bulgarisch, Englisch, Italienisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch und Tschechisch. Die Mitarbeitenden vermitteln in das Hilfesystem oder helfen auf Wunsch selbst bei der Rückkehr ins Heimatland.

Siehst du im Winter hilfsbedürftige Menschen auf der Straße, ruf den Kältebus an unter 0151/65683368. Tagsüber ist auch die Hotline der Stadt Hamburg unter 040/428285000 erreichbar.

Ab dem 1. November 2022 und bis Ende März 2023 fährt der Kältebus durch Hamburg. Seit 2020/2021 wird dieser vom CaFée mit Herz auf St. Pauli betrieben und fährt täglich von zwischen 19 bis 24 Uhr. Wenn man im Winter hilfsbedürftige Menschen auf der Straße sieht, kann man den Kältebus unter der Telefonnummer 0151/65683368 erreichen. Tagsüber steht die Hotline der Stadt Hamburg unter 040/428285000 zur Verfügung. „Wir fahren definitiv bis zum 31. März. Wenn das Wetter entsprechend schlecht ist, fahren wir auch länger”, sagte Projekt-Koordinatorin Christina Pillat-Prieß gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Täglich von 20 bis 24 Uhr fährt der Mitternachtsbus der Diakonie Hamburg durch die Innenstadt zu den Schlafplätzen obdachloser Menschen und verteilt Heißgetränke, Brötchen, Kuchen, Decken und Schlafsäcke. Unter der Telefonnummer 040/40178215 ist der Mitternachtsbus zu erreichen.

Seit 2019 ist der bunte Duschbus auf Hamburgs Straßen zu sehen. Ausgestattet mit drei Badezimmern fährt der Bus an vier Tagen die Woche unterschiedliche Routen ab.

In den Badezimmern sind jeweils eine Dusche, eine Toilette, ein Waschbecken und ein Schrank mit Steckdose. Eines der Badezimmer ist auch für Rollstuhlfahrer*innen geeignet. Darüber hinaus gibt es an Bord zwei Föne, eine Kaffeemaschine, einen Wasserkocher, Stauraum für die Pflege- und Hygieneartikel sowie die frische Kleidung und neue Unterwäsche, die ausgegeben werden. Im Winter bietet der Duschbusch mittels einer Markiese und Front- und Seitenwänden eine Möglichkeit für Obdachlose sich aufzuwärmen. Außerdem können sich obdachlose Menschen auch an fünf Tagen die Woche im Duschdorf in der Glacischaussee waschen.

Die aktuellen Zeiten und Orte, an denen der Bus steht sind auf der Website von GoBanyo, der gemeinnützigen GmbH, die den Duschbus betreibt, zu finden. Unter der Nummer 0800/1313312 können sich odbachlose Menschen außerdem über den genauen Standort des Busses erkundigen. “Waschen ist Würde” – das ist die Philosophie von GoBanyo. Sie wollen mit ihrer Initiative allen menschen einen würdevollen Zugang zu Hygiene geben.

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